Orcas werden von Booten bedrängt

Orcas in Mexiko: Wenn Whale-Watching zum Risiko wird

Orca-Hysterie in Mexiko: unzählige Boote belagern vor der Küste Mexikos regelmäßig Orcas. Immer mehr Urlauber möchten mit den Walen schwimmen – doch das ungebremste Wachstum und fehlende Regeln bergen Gefahren.

Boomende Orca-Touren ohne Kontrolle

Der Traum, einmal im Leben neben Orcas durchs Wasser zu gleiten, lockt seit einigen Jahren zahlreiche Touristen an die Pazifikküste Mexikos, besonders rund um die Halbinsel Baja California. Doch in der Praxis führt dieser Trend dazu, dass oft Dutzende Boote gemeinsam Orca-Gruppen einkesseln. Während professionelle Anbieter die Tiere per Kleinflugzeug orten lassen, folgen häufig Fischer mit kleinen Schlauchbooten und Touristen ohne gültige Genehmigungen den großen Whale-Watching-Booten. Sobald eine Schule von Killerwalen gesichtet wird, formiert sich in kurzer Zeit ein regelrechte Armada aus Booten und Schwimmern, die den großen Zahnwalen kaum eine Chance lassen, Luft zu holen.

Ein Tagesausflug gerät zum Alptraum

Veranstalter Evans Baudin, der seit neun Jahren Schwimmtouren zu den Orcas organisiert, teilt offen im Gespräch mit dem britischen „Guardian“ seine Eindrücke und Bedenken. Baudin berichtet, dass es völlig außer Kontrolle geraten sei, weil es keine staatlichen Vorschriften gebe. In sozialen Netzwerken seien Selfies mit den Walen in den vergangenen fünf Jahren viral gegangen und hätten die Nachfrage weiter angeheizt. Die Folge: Boote und Schwimmer drängen immer dichter an die Tiere heran. Die Tiere erleiden unnötig Stress und unvorhersehbaren Konsequenzen.

Orcas unter Stress: Nahrungssuche wird gestört

Zu dieser Jahreszeit halten sich vor allem Orca-Weibchen mit ihren Jungtieren in der Region auf, um Beute wie Rochen, Haie, Schildkröten und andere Meerestiere zu jagen. Dafür nutzen die Wale ihr Sonar, das jedoch empfindlich auf laute Motorengeräusche reagiert. Meeresbiologin Georgina Saad warnt deshalb vor möglichen Reaktionen der Wildtiere auf die Situation. In die Enge gedrängt könnten sie unter Umständen aggressiv reagieren, insbesondere dann, wenn es um den Schutz ihrer Jungtiere geht. Durch das dichte Verkehrsaufkommen und die ständige Störung drohen Jagdphasen zu entfallen, was Stress und Ernährungsprobleme bei den Orcas zur Folge haben kann.

Gefahren für Mensch und Tier – rechtlicher Graubereich

Rein rechtlich sind die Orca-Schwimmtouren in Mexiko bislang nicht strikt verboten. Es existieren Schlupflöcher, die es Tourenanbietern erlauben, ohne umfassende Genehmigungen auf Fahrt zu gehen. Eine internationale Expertengruppe aus Meeresbiologen und Naturschützern plant jedoch, noch in diesem Sommer einen Artenschutzplan von der mexikanischen Regierung absegnen zu lassen. Vorgesehen ist unter anderem eine drastische Reduzierung der gleichzeitig operierenden Boote und eine striktere Genehmigungspraxis in der besonders beliebten Bucht von La Ventana. Viele Betreiber kleiner Fischerboote stehen dieser Initiative misstrauisch gegenüber, da sie den Verlust einer lukrativen Einnahmequelle fürchten.

Orcas als mögliche Bedrohung – Beispiele aus Gefangenschaft und Wildbahn

Bisher sind weltweit keine tödlichen Angriffe von Orcas auf Menschen in freier Natur dokumentiert. Dennoch mahnen Forschende zu Vorsicht, denn in Gefangenschaft kam es bereits zu mehreren tödlichen Zwischenfällen. Drei Todesfälle wurden durch den Orca „Tilikum“ verursacht, der 2010 im SeaWorld-Park in Orlando unter Stress seine Trainerin ertränkte. Obwohl das Verhalten von „Tilikum“ hauptsächlich auf die unnatürlichen Lebensumstände zurückgeführt wird, verdeutlicht es, wie sich wild lebende Raubwale unter Druck verhalten können.

Ungewöhnliche Orca-Begegnungen in Europa

Seit 2020 häufen sich Berichte über Orca-Angriffe auf Segelboote vor Spanien und Portugal. Dabei steuern die Wale gezielt die Ruderanlagen an, um die Boote manövrierunfähig zu machen. Forscher vermuten, dass dieses Verhalten erlernt wurde – möglicherweise als Reaktion auf negative Erfahrungen mit Fischern, die Orcas als Konkurrenten bekämpfen. Andere Stimmen behaupten, dass Orcas lediglich nur ihren Spieltrieb ausleben. Wie dem auch sei: Solche Vorfälle zeigen, dass die intelligenten Tiere gelernt haben, dass Ruder ein mögliches Angriffsziel sind.

Fazit: Regulierungen dringend notwendig

Ohne verbindliche Verhaltensregeln und eine klare Begrenzung der Tourenanbieter droht der Whale-Watching-Boom vor Baja California, die empfindliche Meeresumwelt und das Wohl der Orcas gefährlich zu beeinträchtigen. Nur wenn Behörden den Bootsverkehr einschränken, Mindestabstände festlegen und Genehmigungen rigoros kontrollieren, können die sensiblen Meeressäuger und die daran interessierten Besucher langfristig geschützt werden.

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