Pottwale der Azoren - Teil I

Pottwale der Azoren - Teil I

Es ist der erste Tag einer Reihe von insgesamt 4 Tagen, die wir für die fotografische Arbeit mit den größten Zahnwalen des Planeten – dem Pottwal –  veranschlagt haben.

Nachdem wir lange Zeit auf die Genehmigung der portugiesischen Behörden gewartet haben, stand dem Abenteuer zu Wasser nichts mehr im Wege.

Die Ankunft auf den Azoren beschert uns zunächst kein schönes Wetter. Und auch der zweite Tag startet mit Nieselregen und relativ kühlen Temperaturen.

Die Besprechung mit dem Basisbetreiber der CW Azores, Enrico Villa, stimmt uns jedoch zuversichtlich. Er winkt beruhigend ab und versichert uns, dass sich das Wetter in den nächsten Tagen bessern soll. Pottwale würden aktuell ohnehin jeden Tag gesichtet und somit stünden die Chancen gut auf ideale Bedingungen.

Positiv gestimmt und voller Erwartungen stimmen wir den ersten Wal-Tag mit ihm ab und bestimmen den nächsten Tag für die fotografische Jagd auf Moby Dick und Co. Um 9.00 Uhr soll es in der Frühe losgehen, und so wappnen wir uns mit unseren Unterwassergehäusen, Kameras und der ABC-Ausrüstung – getaucht werden darf mit den Walen nicht.

 

Am nächsten Morgen hat der Himmel tatsächlich aufgeklärt. Nur in Madalena, wo auch die CW Azores ihre Basis betreiben, dehnt sich noch ein Wolkenschleier über unseren Köpfen aus.

In Richtung Horta auf Faial klart es bereits auf und auch in dem kleinen Städtchen Larjes südöstlich von Madalena sollen bereits beste Wetterbedingungen vorliegen.
Das zumindest haben die azoreanischen „Vigias“, die Walsichter, bereits an die Basis gemeldet.

Schnell verstauen wir unsere Ausrüstung im dem mit dem starken 250 PS Außenbordmotor ausgestatteten Whalewatchingboot.  Nach wenigen Minuten passieren wir bereits die Hafenmole Madalenas mit Kurs auf Larjes.
Der aus Andernach stammende Guide Arne weist uns während der Fahrt noch ein weiteres Mal ein und klärt uns über die Verhaltensregeln auf.

Die leicht aufgewühlte See schüttelt uns durch, während wir mit hoher Geschwindigkeit über die Wellen rasen. Wir wollen nicht allzu viel Zeit verlieren. Uns stört die rasante Fahrt nicht, denn da wir früh losgefahren sind, können wir noch im Idealfall ins Wasser bevor die ersten Whalewatchingboote vor Ort sind.
Diese haben gegenüber uns Vorrang, was später zu einem echten Nachteil für uns führen soll.

Nach 50 Minuten erreichen wir unser Ziel. Das Funkgerät knarzt und die Stimme des Walsichters vermeldet, dass die gesichteten Wale vor wenigen Minuten abgetaucht sind.
Man habe beim Abtauchen ihre Fluken gesehen; das bedeutet in der Regel einen tiefen Tauchgang, der bis zu einer Stunde andauern kann.

Insgesamt 4 Tiere sollen sich in der unmittelbaren Umgebung aufgehalten haben.
Mit stoischer Gelassenheit nehmen wir die Nachrichten hin. So ist das eben mit der Natur, und das ist auch gut so: Schließlich wollen wir keine abgerichteten Seelöwen fotografieren sondern wilde Tiere.

Wir dümpeln in der Dünung dahin während uns die Sonne auf den Pelz brennt. Wie angekündigt ist es aufgeklart und so heizt uns die Sonne Portugals in unseren Neoprenanzügen gehörig ein. Immerhin weht eine angenehme Brise, die die Hitze erträglich macht, doch die 6,5 mm dicke Neoprenhaut lässt sich nicht wegleugnen.

Delfine – danke für die willkommene Abkühlung!

Wir befinden uns auf Höhe von Ribeiras, weiter östlich von Larjes und ein jeder richtet gespannt seine Blick auf das Wasser – wir selbst wissen zwar, dass wir der erfahrenen Bootscrew nicht das Wasser reichen können. Aber wer weiß – vielleicht findet ein blindes Huhn ja auch mal ein Korn und so beteiligen wir uns ebenso aktiv an der Suchaktion, als wir eine Schule Delfine vor uns entdecken.

Die Delfine befinden sich zwischen uns und dem Festland, bewegen sich in hohem Tempo in unsere Richtung.

Immer wieder schießen vereinzelte Tiere über die Wasseroberfläche. Zunächst halten wir sie aufgrund der hohen Geschwindigkeit und Agilität für Streifendelfine. Als sie näherkommen erkennen wir sie als Gemeine Delfine (Delphinus delphis), die sich in den Gewässern um die Azoren in großen Schulen zusammenfinden.

Die Gelegenheit ist günstig und da die Pottwale mit Abstinenz glänzen und auf sich warten lassen, packen wir die Option beim Schopf, um mit etwas Glück ein paar Aufnahmen der Tiere in ihrem natürlichen Umfeld zu machen.
Ruhig gleiten wir ins Wasser und stellen überrascht fest, wie kalt der Atlantik immer noch ist. 18° C zeigt der Tauchcomputer an. Wir freuen uns aber zunächst über die angenehme Abkühlung – die Fahrt auf dem Atlantik in der azoreanischen Sonne hat uns in unseren Neoprenanzügen schon gehörig aufgeheizt.

Den Kopf unter Wasser haltend, versuchen wir einen Blick auf die Tiere zu erhaschen. Wir können aber lediglich die Geräusche ihres natürlichen Sonarsystems wahrnehmen.
Dann entdecken wir die ersten Delfine. Schnell aber mit gebührendem Abstand nähern sie sich uns. Wir sehen kaum mehr als die weißen Flecken auf den Seiten der Tiere. Anscheinend schicken sie immer ein paar erfahrene „Späher“ vor, die die Lage erkunden.
Nachdem die Delfine erkannt haben, dass ihnen von unserer Seite aus keine Gefahr droht, nähern sich weitere erwachsene Tiere neugierig und verspielt.

Mit wahnwitziger Geschwindigkeit umrunden uns die Tiere, tauchen einmal von links, mal von rechts in unser Blickfeld. Schneller, als wir die Köpfe drehen können, schießen sie an uns vorbei und geben die typischen Quietschlaute von sich, als wollten sie uns auffordern, an ihren bunten Treiben teilzunehmen. Würden wir auch gerne, aber uns fehlt sowohl Wendigkeit als auch Eleganz und Tempo.

Es dauert eine geraume Zeit, bis die Tiere ihr Interesse an uns verlieren und uns verlassen.

Nur ein bisschen „Blas“

Nachdem wir wieder an Bord sind, haben bereits die ersten Whalewatchingboote Stellung bezogen. Wie auch wir warten sie auf das Wiederauftauchen der Wale.

Unsere Chancen, mit den Walen im Wasser arbeiten zu dürfen, sinken gerade, wie im Verlauf weiter unten noch näher erläutert wird. Arne, unser umsichtiger Guide, wirft einen Blick auf die Stoppuhr, auf der er die Zeit seit dem letzten Tauchgang der gesichteten Pottwale abliest. Es sind knapp 55 Minuten. Nach den Erfahrungen der Walexperten sollten die Tiere allmählich wieder auftauchen, da ihre Tauchgänge teilweise bis zu einer Stunde dauern können. Und so lautet unser Motto weiterhin „Abwarten und Tee trinken“.

Als wir von der Warterei schon ein wenig vor uns hindämmern, knarzt wieder die Stimme des „Vigias“ durch den Äther. Unser Skipper wirft die Maschine an und gibt Gas, während wir einem unbekannten Ziel entgegenfliegen. Wir preschen mit Vollgas über die Wellenkämme des Atlantiks und dann erkennen auch wir die Ursache der Aufregung: Richtung Horizont entdecken wir den für einen Pottwal so typischen „Blas“; durch das beim Pottwal charakteristisch schräg liegende Atemloch tritt der Blas folglich leicht seitlich aus, was eine eindeutig Identifizierung des Wals ernöglicht.

Da nimmt unser Skipper auch schon wieder das Tempo raus und wir kommen zum Stehen: Gerade ist ein anderes Whalewatchingboot auf 50 Meter an den Pottwal herangefahren – zu schnell für uns. Die Bestimmungen sehen vor, dass wir, sobald sich Whalewatchingboote in der Nähe des Pottwales befinden, selbst nicht näher heranfahren geschweige denn zu den Walen ins Wasser dürfen. Das schreiben die behördlichen Verordnungen Portugals vor.

Jetzt heißt es abermals Warten. Vielleicht stehen die Chancen beim nächsten Mal besser.
Während wir wieder in der Sonne brütend ausharren, gerinnt die Zeit zu einer zähen Masse.

Obwohl wir die wunderschöne Aussicht auf die Insel Pico und ihren beeindruckenden Vulkan genießen ebenso wie den angenehmen Wind, der uns kühle Luft zufächelt, macht sich ein wenig Frustration breit. Es juckt uns unendlich in den Fingern, die Wale im Wasser zu sehen und zu fotografieren. Wir haben lange auf diesen Moment hingearbeitet, aber uns ist ebenso klar, dass wir einfach auch eine gehörige Portion Glück benötigen.
Ganz gleich wie gut wir den Trip geplant und organisiert haben, die Natur schert sich nicht um unser Zeitfenster, das wir für unser Foto-Shooting reserviert und gebucht haben.

Atlantische Fleckdelfine

Die Szenerie ist viel zu schön, als dass wir allzu lange frustriert gestimmt sein könnten. Und wie, um das schöne Landschaftsbild unterstreichen und uns für die ausbleibenden Pottwalfotos entschädigen zu wollen, taucht vor uns eine Gruppe atlantischer Fleckdelfine auf und zieht längsseits unseres Bootes ihre Bahnen.
Arne blickt uns fragend an und noch bevor wir die Antwort ausgesprochen haben, nehmen wir die Spur der großen Delfine auf. Das PS-starke Schlauchboot, das den Namen NALINKA trägt und uns während der gesamten Zeit auf See begleiten soll, prescht davon und setzt sich vorsichtig an die Spitze der Delfinschule.

Wir gleiten ins Wasser, sodass die Tiere direkt vor uns passieren können. Sie sind scheuer als die vorhin bereits gesichteten Gemeinen Delfine und kommen nicht allzu nah heran.
Als die Delfine an uns vorbeigezogen sind, begeben wir uns wieder an Bord unseres Bootes und versuchen unser Glück erneut.

Bei unserem zweiten Versuch kommen sie näher heran – wir erkennen ein Muttertier mit ihrem Kalb und dann zieht die Gruppe davon und entschwindet gänzlich aus unserem Sichtfeld – aber für eine perfekte Aufnahme bleiben sie zu weit entfernt. Offensichtlich ziehen es die Delfine vor, ihren Nachwuchs aus Abstand zu halten.

Zurück auf dem Boot müssen wir feststellen, dass die Delfine den Weg über tiefere Gewässer nehmen. Sie tauchen nicht mehr auf.

 

Das Highlight: Pilotwale

Als sich die Euphorie wieder ein wenig verflüchtigt, erinnern wir uns unserer eigentlichen Mission. Die Pottwale, wegen denen wir eigentlich hier sind, drängen sich gedanklich wieder ein wenig in den Vordergrund.  Beim Blick auf die Uhr stellen wir überrascht fest, dass die Zeit nun doch schneller dahingeeilt ist, als vermutet. Von den insgesamt 6 Stunden auf „Waljagd“ sind bereits 4 Stunden verstrichen. Immerhin noch zwei Stunden, die uns verbleiben.

Ebenso wird klar, dass sich zu den ersten Whalewatchingbooten 4 weitere Boote hinzugesellt haben, was unsere Chancen nochmal entsprechend minimiert.
Die weiter draußen kreuzenden Whalewatchingboote scheinen im Moment im Vorteil zu liegen: Wir erkennen, dass sie im vorgeschriebenen Mindestabstand von 50 Metern einem Meeressäuger folgen, der dort – deutlich erkennbar an der Blasfontäne – seine Bahnen zieht. Kopf und Buckel tauchen abwechselnd auf und unter. Es sieht aus, als wolle er Anlauf für einen langen Tauchgang nehmen. Wir wenden unseren Blick von der Szene ab, in der Hoffnung, einen in unmittelbarer Nähe kreuzenden Wal zu sichten.

Da durchschneidet eine Rückenfinne wenige Meter vor uns die Wellen. Zunächst noch glauben wir, einen gewöhnlichen Delfin vor uns zu sehen. Dann erkennt man mehr Konturen und Arne äußert die Vermutung, es könnten Risso-Delfine (auch Rundkopfdelfine genannt) sein. Zuletzt identifizieren wir die Tiere aufgeregt als das, was sie tatsächlich sind: Pilotwale.

Wäre Enrico Villa, der Besitzer der Whalewatching-Unternehmung, bei den Antragsformalitäten nicht so geistesgegenwärtig gewesen, auch die Beobachtung anderes Wal-Spezies mit aufzulisten, wir hätten nun nicht ins Wasser steigen können. Es bedarf einer Sondergenehmigung ebenso wie jener, die uns gestattet, mit den Pottwalen im Wasser zu interagieren.

Enricos Weitsicht beschert uns nun dieses seltene Vergnügen, mit dieser Spezies ins Wasser zu dürfen.

Wir sind einfach nur begeistert!

Wie ruhig die Tiere dahingleiten, fast schon träge. Aber selbst diese geradezu lethargisch anmutenden Bewegungen nötigen uns einen kräftigen wie gleichermaßen anstrengenden Flossenschlag ab, um auch nur annähernd mit den Pilot- oder auch Grindwalen mithalten zu können. Zunächst schwimmen die Tiere auf sichere Distanz davon – auch in dieser Gruppe entdecken wir ein noch nicht ausgewachsenes Jungtier, vor das sich schützend die Mutter schiebt.

Die Tiere bewegen sich anscheinend mühelos, wäre wir kräftezehrende Flossenschläge einsetzen, um zumindest einen kurzen Augenblick „Schritt“ halten zu können… dann geht uns die Puste aus – der Schnorchel liefert nicht mehr die Luftmengen, nach denen unsere Lungen förmlich schreiben.

Als wir außer Sichtweite sind, springen wir wieder auf das Boot zurück und nach wenigen Sekunden Fahrt versuchen wir unser Glück erneut.

Nachdem wir vorsichtig ins Wasser gerutscht sind, entdecken wir die Tiere im rechten Bereich unseres Sichtfeldes. Wie erhofft ziehen Sie nach links vorbei und zeigen diesmal weniger Scheu als zuvor.
6 Tiere können wir entdecken, darunter wieder ein Kalb mit Muttertier – was für ein schönes Naturschauspiel.

Wir starten noch einige Versuche mit den Tieren bis diese genug von uns haben und tiefer abtauchen, als wir ihnen folgen könnten.

Rückweg

Über 5 Stunden sind wir bereits auf See. Zwar haben wir noch keinen Pottwal gesichtet, aber konnten uns dafür anderer nicht minder faszinierender Erlebnisse erfreuen:
Ein Schwarm Gemeiner Delfine, der uns lange seine Aufmerksamkeit schenkte, große Tümmler und das aufregendste Erlebnis des heutigen Tages – die Pilotwale.

In Absprache mit der Crew entscheiden wir uns für den Rückweg – die langen und turbulenten Fahrten, das kalte Wasser des Ozeans und die anstrengenden Aufenthalte im Wasser waren anstrengend. Laut Funkansage hat der Seegang deutlich zugenommen. In der windgeschützten südlichen Küstenzone ist davon noch wenig zu bemerken.

Sollten wir auf dem Rückweg noch weitere spannende Entdeckungen machen, so bleibt immer noch genug Zeit, halt zu machen und erneut unser Glück zu versuchen – der Heimatkurs ist aber angelegt und wir steuern wieder den Hafen von Madalena an.

Die Hoffnung auf eine weitere Sichtung soll sich aber nicht bestätigen. Es kommt noch dicker: Als wir den schützenden Küstenbereich im Süden in Richtung Nordwesten/Madalena verlassen, schlägt uns ein kräftiger Wind entgegen.

Auch der Seegang beschert uns wenig Freude: Der Atlantik zeig sein raues Gesicht und schüttelt uns die letzten 20 Minuten der Fahrt erbarmungslos durch.
Das Boot erklimmt die steilen Wellenkämme, gefolgt von einen tiefen Sturz in das Wellental. Der Aufprall fährt durch alle Knochen und wir wissen nicht, ob wir besser stehen oder sitzen sollen.

Als wir endlich die schützende Hafenmole umrunden, sind wir froh, die Achterbahnfahrt überstanden zu haben.
Müde und abgeschlagen beenden wir das Abenteuer und sind der Bootscrew zutiefst dankbar, dass sie uns sicher und souverän wieder zurück in den Hafen gebracht hat.

Trotz aller Strapazen: Es war fantastisch. Heute Nacht werden wir gut schlafen!

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