Azoren - Princess Alice

Azoren - Princess Alice

Eines der bekanntesten Tauchgebiete der Azoren befindet sich mitten im Atlantischen Ozean, 45 Seemeilen südwestlich der Küste der Azoreninsel Pico.

Der Name Princess Alice beschreibt einen Tiefseeberg, der an seiner höchsten Erhebung bis 35 Meter unter die Wasseroberfläche ragt. Charakteristisch für das Gebiet ist die ohnehin schon hohe atlantische Artenvielfalt, die sich an diesem Tauchspot noch zu verdichten zu scheint.

Am 23. August steht auch für uns die Princess auf dem Plan.
Da wir früh mit den Booten aufbrechen, treffen sich die Teilnehmer des Tauchausfluges bereits um 07.30 Uhr in der Tauchbasis ein. In weiser Voraussicht wurde das Briefing bereits am Vorabend durchgeführt. Sonst hätten sich alle wohl noch eine halbe Stunde eher einfinden müssen.

Als gegen 08.30 Uhr alle Ausrüstungsteile auf die Boote verladen sind und jeder sein Equipment nochmal gecheckt hat, startet Skipper Justin das Boot. Als Diveguide wird Stefano die Tauchgänge leiten, von denen insgesamt zwei im Zielgebiet abgehalten werden sollen.

Wir haben eine lange Strecke vor uns:  45 Seemeilen, das entspricht einer Strecke von etwas mehr als 90 Kilometern – einer Strecke, die schon zulande für einen Tauchausflug eher ungewöhnlich ist. Die Wetterbedingungen sind am frühen Morgen nicht allzu gut.

Die Nacht über hat es stark geregnet und der Himmel ist in Richtung Faial stark wolkenverhangen. Die Guides vermelden mittleren Seegang, doch trotzdem springt keiner der Teilnehmer ab: Auch wenn die Wetterlage eine Fahrt voller Strapazen verspricht, wollen alle diesen viel versprechenden Tauchgang durchführen.

Als die Boote den Hafen verlassen, regnet es und es weht eine kräftige Brise, die alle an Bord frösteln lässt. Die meisten der teilnehmenden Taucher haben bereits ihre Neoprenanzüge angelegt und als wir auf offener See sind, haben dann auch die letzten ihren Kopf mit Mütze oder Tauchhaube gegen das rauhe Wetter bedeckt.

Die Strecke zieht sich endlos dahin, nach einer Weile ist auch die Küste Faials aus dem Blickfeld verschwunden.
Das Boot kämpft sich durch die Wellen, scheint aber kaum vom Fleck zu kommen.

Wir erreichen das Ziel

Die Fahrt scheint endlos dauern zu wollen und die hohen Wellen, die gegen den Boden des Bootes krachen, dazu noch die Gischt, die den Tauchern ins Gesicht spritzt, machen die Fahrt nicht gerade zu einem Sonntagsausflug: Nach anderthalb Stunden Fahrt ist das letzte Stückchen Neopren durchnässt und nicht nur den älteren Semestern schmerzt inzwischen jeder Knochen.

Als wir nach über 3 Stunden Wellen, Wind, Regen und Strömung endlich die anderen Boote entdecken, die Princess Alice bereits vor uns erreicht haben, fragen sich alle an Bord, ob sich die Strapazen wohl lohnen werden.
Vor Ort kommunizieren die Crews der Boote untereinander. Die Strömung ist so stark, dass die beiden Boote vor uns noch keinen Ankerplatz finden konnten.

Und auch unser Skipper wird immer wieder abgetrieben, ohne dass der Anker Halt auf den Dach des Seebergs findet.
Dann verliert die Crew schließlich einen Anker beim dem Versuch, diesen in Position zu bringen. Nach zahlreichen weiteren Versuchen gelingt das Vorhaben endlich, ein neuer Anker hält das Boot in Position und die Taucher machen sich für den ersten Tauchgang bereit.

Noch während die Taucher die Ausrüstung anlegen, taucht im Kielwasser des Bootes ein grünbrauner Schatten auf.
Der erste Mobularochen erweist den Tauchern die Aufwartung und scheint auch nicht wieder abziehen zu wollen. Mehrere Minuten verharrt das große Tier fast regungslos hinter dem Boot.

Ein gutes Omen?

Weil die Strömung außergewöhnlich stark ist, werden die Taucher instruiert, den Tauchgang an der Ankerleine durchzuführen. Zu groß ist die Gefahr, abgetrieben zu werden. Somit sind kleinere Ausflüge im näheren Umkreis der Leine untersagt. Als wir im Wasser sind wird schnell klar, wie sinnvoll die Anweisung der Guides ist.

Mobula dicht unter der Wasseroberfläche

Nur mit Mühe halten sich die Taucher an den Seiten des Bootes fest und mit großen Anstrengungen gelangt einer nach dem andern vor zum Bug und lässt sich dort an der Ankerleine ab.

Auch unter Wasser ist die Strömung sehr stark: Die Taucher am Anker flattern wie das sprichwörtliche Fähnchen im Wind, als es noch schlimmer kommt: Der Anker bricht!

Ankerbruch und Abbruch

Noch hat es keiner unter Wasser gemerkt, aber die Crew an Deck des Bootes zieht den Anker bereits wieder nach oben.
An der Wasseroberfläche angekommen ist klar, warum der Tauchgang abgebrochen wurde: In kurzer Zeit ist das Boot bereits weit abgetrieben – mit den an der Leine hängenden Tauchern im Schlepptau.

Es bleibt nichts anderes übrig, als an den anderen bereits vor Anker liegenden Booten fest zu machen. Für den zweiten Tauchgang müssen sich die Taucher diesmal nicht nur an einem Boot am Rumpf entlanghageln: Zudem muss die Distanz zum zweiten Boot überbrückt werden und von dort aus geht es an der Bordwand weiter gegen die starke Strömung und gegen die Wellen, die immer wieder über den Köpfen der Taucher zusammenschlagen, zur Ankerleine.

Abenteuerlich

Als endlich an der Ankerleine abgetaucht wird, kehrt ein wenig Ruhe ein.
Zwar müssen sich alle immer noch gegen die Strömung stemmen, aber wenigstens die starke Dünung lassen wir an der Wasseroberfläche hinter uns.

Ein weiterer Mobularochen bei der Ankerleine

Rechts der Ankerleine taucht ein weiterer Mobularochen aus dem Nichts auf.
Gegenüber liegt ein anderes Tauchboot, an dessen Ankerleine sich ähnlich wie hier die Taucher aufgereiht haben wie die Perlen auf der Nadelschnur.

Anscheinend hat der mantaähnliche Rochen Interesse an einem der dortigen Taucher gefunden: In unmittelbarer Nähe steht er ruhig in der Strömung und beobachtet anscheinend interessiert sein Gegenüber.
Das Schauspiel zieht sich mehrere Minuten hin, dann wendet sich der Rochen ab und taucht über unsere Köpfen hinweg.

Die Gruppe gleitet weiter an der Leine in die Tiefe. Auf 25 Metern ist die Spitze des Seeberges auf 40 Metern zu entdecken.
Wegen der Strömung soll es heute aus Sicherheitsgründen nicht tiefer gehen.
Von den Tauchern gibt es keine Einwände und kein Murren. Bereits an der Oberfläche mussten einige abbrechen und auch unsere Kamera ist für den Tauchgang nicht mit unter die Wasseroberfläche gekommen – zu groß wäre die Gefahr für uns und das Equipment.

Es dauert einige Minuten, dann hat sich die Tauchgruppe an die Gegebenheiten gewöhnt, als plötzlich aus dem Nichts erst ein Schatten, dann ein zweiter, ein dritter und ein vierter Schatten löst. Schemenhaft erkennt man die Formen eines Mobulas, und dann setzen sich alle 4 Tiere ab und stehen wenige Meter vor der staunenden Tauchgesellschaft.
In aller Ruhe ziehen die Tiere vorbei und wieder geht es über die Köpfe der Taucher hinweg.

Taucher an der Leine, im Hintergrund ein Rochen

Dann tauchen aus anderen Richtungen weitere Tiere auf, alle ohne jegliche Scheu und großer Neugier, denn offensichtlich suchen sie die Nähe der Taucher.
In Strömungsrichtung links blickend steht ein großer einzelner Barrakuda in sicherer Distanz.
Aber Hauptakteure dieses Aktes sind andere: Die Mobulas.
Wie um dem imposanten Raubfisch die Schau stehlen zu wollen, ziehen 4 weitere Tiere knapp unterhalb des Barrakudas vorbei und halten wieder auf die Tauchgruppe zu.

Fassungsloses Staunen

Egal wohin der Blick sich wendet: Es ist fast so, als ob sich die Rochen überall um die Taucher herum befinden.
Aus allen Richtungen rücken sie abwechselnd ins Blickfeld vor und entschwinden dann wieder.
Einer der Mobulas zeichnet sich besonders durch Neugier oder Übermut aus: In weniger als 30 Zentimeter Entfernung „steht“ das Tier vor seinem menschlichen Gegenüber und verharrt regungslos in seiner Position. Dahinter sind noch zwei weitere Tiere zu entdecken, die sich nicht so viel zutrauen zu scheinen wie das vordere Tier.

Deutlich erkennbar: Die Augen des Mobularochens

Man kann deutlich das Auge erkennen, mit dem er den Taucher taxiert. Der Mobularochen steht so dicht, dass die Bewegungen seines breiten Mundes deutlich zu erkennen sind. Ruhig und in regelmäßigen Abständen öffnet und schließt sich das Maul, um sauerstoffreiches Wasser zu den Kiemen zu pumpen.

Irgendwann taucht der Rochen davon. Die anwesenden Taucher sind begeistert und versuchen sich unter Wasser über das soeben Erlebte mittels Zeichensprache auszutauschen, was eher seltsam hilflos aussieht, aber alle wissen dennoch, was gemeint ist.

Als sich der Sauerstoffvorrat zu Ende neigt, kommt es zu einem unglaublichen Schauspiel: Es ist, als ob sich die Rochen nochmal zu einem würdigen Abschluss zusammenfinden wollen, oder vielleicht einfach nur, um sich gebührend zu verabschieden. Im diffusen Blaugrün schräg unterhalb der Gruppe sammeln sich die Mobulas zu einer riesigen Formation, die unter den Augen des Luft atmenden Publikums einen dramatischen Abgang inszeniert.
Knapp unterhalb der Tauchgruppe rücken die Tiere nacheinander ins Sichtfeld der Taucher, sodass ein Tier nach dem anderen sichtbar wird.

Zum Schluss stehen die Taucher vielleicht 40 großen Mobulas gegenüber, die ihre Inszenierung und das fassungslose Staunen der Taucher anscheinend in vollen Zügen auskosten.

Manch einer braucht die große Bühne – im Falle dieser Mobulas scheinen das viele zu sein!

Die große Bühne als Abschied

Dann setzt sich die Formation langsam in Bewegung und wie in einer tierischen Parade ziehen die Tiere unter der Tauchgruppe flügelwinkend dahin. Was für ein magischer Moment.

Zurück an Bord sieht man nur breites Grinsen: Vergessen sind die Anstrengungen und Strapazen der Anfahrt und jeder der Taucher berichtet lachend und voll Euphorie von seinen eigenen Eindrücken. Und auch die Guides wirken gelöst und glücklich,
da trotz der widrigen Umstände ein letztlich fantastischer Tauchausflug gelungen ist.
Die Tatsache, dass der erste vorzeitig abgebrochene Tauchgang wegen der vorangeschrittenen Zeit nicht nachgeholt werden kann als auch die bevorstehende strapaziöse Rückfahrt sind nur minimale Wermutstropfen für die Tauchgesellschaft.

Und mit den tollen Erlebnissen im Gepäck und ein wenig Rückenwind erscheint der Rückweg nicht halb so lange wie die Anfahrt.

Den krönenden Abschluss zurück auf der Tauchbasis bildet ein freudig strahlender Basenleiter Michael Costas, der alle Tauchgäste zu einem abschließenden Dekobier einlädt. Trotz der anfänglichen Manövrierprobleme, trotz schwierigster Witterungs- und Strömungsverhältnisse ist der Tag perfekt abgelaufen.

Und zu guter Letzt das Highlight des Tauchgangs: Ein gigantischer Schwarm Mobulas.
Mehr als ein Grund zum Feiern!

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