Sea Shepherds im Interview

Sea Shepherds im Interview

Heute treffen wir uns mit Jean-Manuel Leonardi  vom „Sea Shepherd Deutschland e.V.“ zu einem Interview.

Die Sea Shepherd Conservation Society ist eine weltweit agierende Umweltschutzorganisation, die von Paul Watson gegründet wurde und zu einer der bedeutendsten internationalen Organisationen zum Schutz der Umwelt, insbesondere des maritimen Ökosystems, herangewachsen ist.

Derzeit wird Sea Shepherd von Alex Cornelissen geleitet.

Bekannt wurde die Organisation durch ihre radikalen, gewaltfreien Aktionen zum Schutz der Meere und seiner Lebewesen, mit denen Watson und sein Team seit Jahrzehnten auf Umweltmissstände und -frevel im Lebensraum Ozean aufmerksam machen und, sofern es die Umstände zulassen, intervenieren.

Engagiert: Jean-Manuel Leonardi

Die schärfste Waffe im Zeitalter der Medien sind die Medien selbst. Geschickt bedienen sich die Aktivisten von Sea Shepherd der zur Verfügung stehenden medialen Instrumente und so sind Kamera und Laptop ständige Begleiter aller spektakulären Maßnahmen gegen Walfänger, Haiflossenjäger & Co., um die dramatischen Bilder unmittelbar in den Äther zu senden.

Dabei macht sich die Organisation nicht nur Freunde, ganz im Gegenteil:
Walfangunternehmen und Haiflossenmafia machen teilweise gezielt Jagd auf die Sea Shepherds – ihre Schiffe wurden bereits vorsätzlich gerammt und beschossen.
Gegen Mitglieder der Organisation wurden Haftbefehle ausgesprochen, gegen Paul Watson wurde 2011 in Costa Rica Haftbefehl erhoben.

Heute ist die Sea Shepherd Conservation Society weltweit vertreten und agiert von ihren jeweiligen Standorten aus. In Deutschland ist der „Sea Shepherd Deutschland e.V.“ aktiv und leistet mit zahlreichen Aktionen (wie bspw. Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising) ihren wertvollen Beitrag zum Schutz der Gewässer und der Umwelt.

Jean-Manuel Leonardi ist seit Ende 2011 freiwilliger Helfer bei Sea Shepherd Deutschland e.V..

 

TM: Jean, wie bist Du auf Sea Shepherd erstmalig aufmerksam geworden und was hat Dich bewegt, diese auch selbst aktiv zu unterstützen?

Jean: Wie ich genau auf Sea Shepherd aufmerksam geworden bin, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Ich glaub das war per Zufall, als ich beruflich in den Staaten war und dort in den Medien eine Berichterstattung mitkriegte.

Anfangs hatte ich Sea Shepherd finanziell unterstützt. Zunehmend hatte ich jedoch das Bedürfnis, mich auch aktiv für den Erhalt unseres einzigartigen Ökosystems einzusetzen. Ich bin der Überzeugung, dass jeder einen Beitrag leisten kann und sollte, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Ausschlaggebend für mein Engagement war definitiv, dass Sea Shepherd sich aktiv für unser Ökosystem (mit Fokus auf das maritime Ökosystem) einsetzt. Dies war ein wichtiger Aspekt, da ich eine Organisation unterstützen wollte, die über die Öffentlichkeitsarbeit hinaus versucht, Umweltvergehen zu verhindern.

TM: Als „Area Coordinator Berlin“ bei Sea Shepherd Deutschland e.V., was genau sind deine Aufgaben und Funktionen?

Jean: Ich bin für die ehrenamtliche Ortsgruppe Berlin zuständig. Ich kümmere mich darum, dass unsere Gruppenarbeit möglichst effizient und erfolgreich erfolgt. Dazu gehört auch die Aufnahme von neuen freiwilligen Helfern innerhalb unserer Ortsgruppe.

Ebenso schauen wir als Gruppe gemeinsam, wo wir in Berlin und Umland aktiv werden können. Dies gilt insbesondere für Events und Veranstaltungen, wo wir versuchen, mit unserem Infostand präsent zu sein und unsere Arbeit vorzustellen. Dafür ist es natürlich auch notwendig, Spenden zu sammeln, da unsere direkten Aktionen auf den Meeren kostenintensiv sind.

Schlussendlich sind wir in Berlin ein Team, wobei ich erste Anlaufstelle für gruppeninterne Angelegenheiten als auch für externe Anfragen für den Raum Berlin zuständig bin.

TM: Da Du vermutlich wie viele andere Aktive bei Sea Shepherd ehrenamtlich tätig bist, wie vereinbart sich das mit deinem beruflichen und privaten Umfeld? Bleibt da nicht viel Freizeit auf der Strecke?

Jean: Grundsätzlich ist es ja so: Alles was man aus Überzeugung und gerne macht, empfindet man nicht als Belastung. Aber in der Tat ist der Zeitfaktor hin und wieder stark limitiert.

Ich selbst bin beruflich fast täglich unterwegs und oft endet mein Arbeitstag erst nach 10-12 Stunden, sodass ich oft am Wochenende erst wieder zuhause bin. Die Arbeit bei Sea Shepherd kommt natürlich dann noch on Top dazu. Da ist ein gutes Zeitmanagement unverzichtbar.

Den Umfang des Engagements kann jeder selbst bei uns bestimmen, wobei wir darauf Wert legen, dass natürlich ein gewisses Minimum an Engagement vorhanden ist. In Hochzeiten kann es aber auch mal sein, dass man an 2-3 Wochenenden in Folge auf Veranstaltungen unterwegs ist. Definitiv muss man gewisse Zugeständnisse bei der Freizeit in Kauf nehmen, aber ich habe im Gegenzug die Möglichkeit bekommen, aktiv beim Erhalt unseres Ökosystems mitzuarbeiten.

Ich empfinde es auch oft nicht als „Arbeit“, da es unheimlich Spaß macht, mit der Gruppe Dinge umzusetzen. Es besteht bei uns nicht nur eine Arbeitsatmosphäre, sondern ebenso ein freundschaftliches Verhältnis. Freundeskreis und Familie haben Verständnis und unterstützen mich dabei.

TM: Welche Projekte betreut Sea Shepherd Deutschland e.V. aktuell?

Jean:  Zurzeit finden deutschlandweit an verschiedenen Terminen Beach Clean Ups statt. Es werden dort Treffen der freiwilligen Helfer der Ortsgruppen an entsprechenden Gewässern abgehalten mit dem Ziel, jeglichen Müll in unmittelbarer Umgebung aufzusammeln und zu beseitigen.
Die Termine sind immer aktuell auf unserer Webseite nachzulesen unter
www.sea-shepherd.de.
Ebenso auf der Agenda ist der Schutz der hiesigen Schweinswale, wobei der Aktionsradius und die Möglichkeiten stets ausgelotet werden müssen.

TM: In welchen Bereichen würdet Ihr gerne noch mehr aktiv werden? Wo seht Ihr einen großen Handlungsbedarf?

Jean: Das Thema Shark Finning (Fangen von Haien und Abtrennung derer Flossen bei lebendigen Leibe) bedarf noch einer größeren Aufmerksamkeit. Es wird geschätzt, dass dadurch jährlich unglaubliche 70-100 Millionen Haie getötet werden für die besonders in Asien begehrte Haiflossensuppe sowie für traditionell verwendete Heilmittel.

Aufgrund des schlechten Images des Hais, ist diese Thematik besonders schwierig. Jedoch sind diese faszinierenden Lebewesen unsere Top-Jäger im Meer und sorgen u.a. für die Balance im fragilen maritimen Ökosystem und sind somit unersetzbar und wichtig.
Aber auch einen wirklichen Schutz der Schweinswale an der Deutschen und, wenn möglich, an der gesamten Europäischen Küste halten wir für notwendig und wichtig. Dabei geht es nicht nur um gesetzliche Regelungen, sondern auch um deren Einhaltung, sprich Kontrolle.
Neben den genannten Bereichen gibt es noch eine Menge mehr Themen auf der Agenda, die je nach verfügbaren Ressourcen und Prioritäten angegangen werden.

TM: Gibt es sinnvolle Kooperationen mit anderen Organisationen wie beispielsweise Sharkproject oder ist es für Euch wichtig, autonom arbeiten zu können?

Jean: Sinnvollen und effizienten Kooperationen stehen wir offen und sehr positiv gegenüber – sie sind absolut gewünscht. Die Entscheidung obliegt natürlich den entsprechenden Verantwortlichen.

Derzeit läuft beispielsweise eine gemeinsame Kampagne mit Ocean Alliance. Von Juni bis August 2013 werden Ocean Alliance und Sea Shepherd Niederlande auf dem Forschungsschiff Odyssey zur “Operation Toxic Gulf” aufbrechen, um Daten über die Spätfolgen der Katastrophe von Deep Water Horizon innerhalb der Umwelt und den Lebewesen im Golf von Mexiko zusammenzutragen. Damals sind geschätzte 800 Millionen Liter Rohöl zwischen dem 20. April und 15. Juni 2010 in den Golf geflossen.
Ebenso gab es eine Kooperation im Rahmen der Kampagne „Operation Requiem“ zusammen mit den Shark Angels mit dem Ziel, Regierungen und andere Organisationen beim Schutz der Haie zu unterstützen und wenn möglich, notwendige Bestimmungen zu initiieren.
Auch Greenpeace wurde in Antarktischen Gewässern zum Schutz der Wale eine Zusammenarbeit angeboten, die ja bekanntlich nicht zustande kam.
In Deutschland streben wir derzeit eine engere Zusammenarbeit mit dem WDSF an.

TM: Paul Watson, der in den Medien fast schon zur Ikone stilisiert wird –  hattest Du bereits Gelegenheit, ihn persönlich kennenlernen?

Jean: Ich hatte vor etwas über einem Jahr die Gelegenheit Paul Watson mehrmals hier in Berlin anzutreffen. Zu diesem Zeitpunkt saß er aufgrund des Haftersuchens von Costa Rica in Deutschland fest.  Während der kurzen Gelegenheiten habe ich Paul als sehr freundlichen und sanftmütigen Menschen kennengelernt. Die kurzen Gespräche waren sehr angenehm. Hierbei ging es nicht ausschließlich um Sea Shepherd, sondern um ganz normale Dinge, die man sich erzählt, sobald man einen Menschen kennenlernt.
Man merkt definitiv seine Passion für seine Arbeit. Ich selbst habe in der Form keine Idole, mir imponiert jedoch seine Kompromisslosigkeit und sein Einsatz für den Erhalt des maritimen Ökosystems.

TM: Gestatte mir eine kritische Frage: Einige Aktionen von Sea Shepherd, über die ich erfahren habe, wirken mitunter fast schon überraschend zaghaft und wenig konzertiert. Beispielsweise die Aktion auf den Faröer-Inseln gegen den dort traditionell behafteten Grind – dem brutalen Abschlachten der Pilotwale – über die bei „Whalewars“ berichtet wurde, wirkte eher hilflos als strategisch ausgeklügelt. Hättet Ihr euch hierzu ein anderes, vielleicht zielführenderes „Konzept“ gewünscht?

Jean: Während der ganzen Kampagne war ja zu beobachten, dass sich die Walfänger zurückgehalten hatten und es zu keiner Jagd kam. Man war bemüht keine schlechten Bilder hervorzurufen. Wie oft bei solchen Kampagnen zwischen internationalen und nationalen Gewässern kommt es zu einem Katz-und-Maus-Spiel. Die Schwierigkeit ist, sich im legalen Raum zu bewegen. So sind uns oftmals ab den jeweiligen Meilengrenzen zu den nationalen Gewässern die Hände gebunden, da wir darauf achten, keine Gesetze zu brechen.

Leider kehrte sich das Blatt, sobald wir nicht mehr vor Ort waren. Da ging der Grind los…

TM: Was sind deine Zukunftspläne? Was möchtest Du noch für und mit  Sea Shepherd bewegen?

Jean: Mein Ziel ist es, dass dem Großteil der Leute bewusst ist, wie wichtig auch ein intaktes maritimes Ökosystem für uns ist. Wir können nicht ohne intakte Ozeane leben, wenn man nur mal bedenkt, dass ein Großteil unseres Sauerstoffs dort produziert und ein Großteil des C02 gespeichert wird. Ebenso ist es mir wichtig, insbesondere das Image des Hais zu verbessern. Zu Unrecht gelten Haie als gefährliche Monster. Haie sind unglaublich majestätische und elegante Jäger.

Bezogen auf meine Arbeit in Berlin möchte ich den eingeschlagenen Weg weiter fortführen und unsere Arbeit weiter publik machen, sowie Supporter finden.

TM: Jeder kann bei Euch aktiv werden und helfen. Wie kann man euch unterstützen und wie bewirbt man sich gezielt für ein bestimmtes Projekt?

Jean: Aufgrund unserer direkten Aktionen rund um den Globus sind wir natürlich extrem auf die finanzielle Hilfe von Supportern angewiesen. Falls jemand uns monatlich mit einem Beitrag unterstützen möchte, so kann er dies gerne über unsere Homepage tun.
Falls ein direktes Engagement gewünscht ist, so gibt es die Möglichkeit, sich insbesondere für unsere bekannte Antarktis-Kampagne über die Wintermonate zu bewerben. Jedoch ist hier zu erwähnen, dass es eine Warteliste gibt.

Ebenso kann man sich für die Arbeit an Land bewerben. Hier geht es darum, in den Ortsgruppen aktiv bei der Öffentlichkeitsarbeit und dem Fundraising zu unterstützten. Diese Arbeit ist ebenso wie die Arbeit auf See sehr wichtig, da hierdurch erst die Kampagnen finanziell ermöglicht werden. Als freiwilliger Helfer von Sea Shepherd gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit die Kampagne in Taiji als „Cove Guardian“ zu unterstützen (Ziel: Dokumentation und Media-Kampagne gegen das Abschlachten von Delfinen in der Bucht von Taiji).

TM:  Vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten. Ich wünsche Dir und Sea Shepherd für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg.

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