Blauhaie auf Faial

Das Tauchen mit Blauhaien (Prionace glauca) ist immer ein besonderes Erlebnis und ein lang ersehnter Traum unserer Tauchredaktion, das wir nun auf den Azoren realisieren konnten.

In den Medien eher selten portraitiert „genießt“ er wie viele andere Haiarten einen eher zweifelhaften Ruf. Als neugierig, aufdringlich und angriffslustig wird der Prionace glauca oftmals charakterisiert.

Wir sind angetreten, um den Gegenbeweis abzuliefern und waren nach Ende der Tauchexpedition positiv überrascht, wie extrem neugierig und gleichermaßen friedfertig diese Tiere sind.

Das Briefing

Das Briefing hatten wir bereits am Abend zuvor absolviert. Außergewöhnlich in Bezug auf andere Tauchbriefings war lediglich die Tatsache, dass definiert wurde, wie wir uns zu verhalten hätten, sollte einer der Haie zu aufdringlich werden. Im Fokus des Briefings stand neben dem Ablauf des Tauchgangs auch das Thema sicheres Haitauchen.

„Wichtig ist, dass Ihr keine hektischen Bewegungen macht, sondern euch immer ruhig verhaltet. Kommt einer der Haie wider Erwarten zu nahe, legt vorsichtig die flache Hand hinter den Kiemenöffnungen auf und schiebt ihn ganz sanft von Euch weg. Bleibt ruhig und schlagt nicht nach den Tieren. In eurem Interesse wie auch im Interesse der Tiere, versteht sich!“, so die Worte unseres verantwortlichen Diveguides Martijn.

Mit Chum werden die Blauhaie angelocktAls wir morgens zu unserer Begegnung mit den Blauhaien aufbrechen, ist der Himmel noch bewölkt. In der Nacht zuvor hat es geregnet, aber die Wetterprognose gibt vor, dass der Himmel aufziehen soll. Es soll sich aber nicht bewahrheiten, es bleibt bewölkt und ab und an fällt auch ein wenig Niederschlag.

Nach einer Stunde zügiger Fahrt mit dem Boot erreichen wir den Spot. Genauer gesagt, hat Martijn die Rückenflosse eines Blauhais an der Wasseroberfläche entdeckt, worauf wir das Boot gestoppt haben, um hier mit dem sogenannten „Chumming“ zu beginnen.

Dabei wird eine Mischung aus frischem Fischblut und Fischöl ins Wasser gebracht, um eine unwiderstehliche Duftspur zu hinterlassen, die die Blauhaie anlocken soll.

Abwechselnd wird zu der Suppe auch immer wieder ein Stück Fisch klein geschnitten, das als stückige Ergänzung zur Duftspur die Haie anlocken soll. Mit ein wenig Glück locken wir damit nicht nur Blauhaie an sondern vielleicht sogar einen Makohai.

Die richtige Chum

Immer wieder sieht man bei Fernsehberichten, wie die Haitaucher erzählen, was für eine stinkige Brühe die Chum sei. In unserem Fall roch es intensiv nach Fisch, aber weder faulig noch tranig.

Auf unsere Frage nach der Beschaffenheit der Chum erklärt uns die Crew, dass die Blauhaie generell frischen Fisch bevorzugen. In zahlreichen Versuchsreihen, bei denen die Rezeptur sozusagen verfeinert wurde, stellte sich heraus, dass das Chumming besser funktionierte, wenn Fischblut und Fischstücke relativ frisch waren.

„Das entspricht auch dem natürlichen Verhalten“, erklärt uns Martijn. „Die Fische sind gewohnt, zu jagen. Und was anderes als frischen Fisch werden sie da erbeuten?“.

Wie wir weiter erfahren verschmähen die Tiere auch in der Regel die Knochenreste der Fische: „Wenn zu wenig Fisch noch an den Fischresten dran ist, dann nehmen die Tiere die Stücke nicht an. Ein wenig Substanz darf es da schon sein!“.

Wir sehen zu, wie sich Skipper und Guide damit abwechseln, ordentliche Brocken von Fisch und Muräne (die nicht mehr verkäuflichen Reste eines örtlichen Fischers) in regelmäßigen Abständen in das tiefblaue Wasser werfen.

Blauhaie lassen sich nicht billig abspeisen!

Während unsere Blicke den Fischbrocken beim Absinken in die Tiefe hinterherschauen, hoffen wir, dass die Haie anbeißen.

Doch weder an der Wasseroberfläche noch weiter unten sehen wir einen größeren Schatten, der uns hoffnungsvoll stimmen könnte.

Weder Blauhai noch Makohai lassen sich sehen…

Martijn, der auf Haie spezialisierte Divemaster, wirft sich in seine Montur und springt mit Flossen und Maske gewappnet ins Wasser, um weiter draußen auf die Suche nach den Blauhaien abzutauchen. Unbeirrbar dreht er seine Runden, taucht ab, kreist an der Wasseroberfläche… vergeblich.

Nachdem der letzte Brocken Fisch ins Wasser geworfen wurde, sind 4 Stunden um und kein Hai hat sich gezeigt.

Frustriert brechen wir ab, das Glück lässt sich heute nicht erzwingen.

„Heute Kinder, wird’s was geben..!“

Als wir am Tag 2 losfahren, ist das Wetter deutlich besser. Wir sind wieder frohen Mutes, dass es diesmal Tauchgang mit den Haien auch besser klappen wird. Den Shark-Point erreichen wir wie angekündigt nach einer Stunde und entdecken ein weiteres Boot, dessen Taucher kurz davor sind, ihren Haitauchgang zu beenden. Per Funk erfahren wir, dass bereits einige Haie im Wasser sind und diesmal sieht es verdammt gut aus! Bereits über Wasser entdecken wir diesseits des anderen Bootes einige Rückenflossen die Wasseroberfläche durchschneiden.

Endlich! Die Haie machen ihre Aufwartung.

Schon legen wir unser Equipment an, checken die Ausrüstung und noch ehe das andere Tauchboot alle Taucher an Bord hat, gleiten wir vorsichtig ins Wasser, um die Haie nicht unnötig zu erschrecken.

Beim Abtauchen richten wir den Blick in Richtung des anderen Bootes und sehen bereits die ersten Schemen, die sich elegant durch das Wasser bewegen.

Und es dauert nicht lange, da tauchen 3 Tiere in unmittelbarer Nähe vor uns auf. Zu unserer großen Überraschung weisen die Tiere überhaupt keine Scheu den Menschen gegenüber auf.  Ganz im Gegenteil: Sie sind extrem neugierig und ziehen wenige Zentimeter an uns vorbei und beobachten uns mit wachen Augen.

Neugierig beschnuppert uns der Hai

Wir sind derart fasziniert, dass wir die leichte Strömung außer Acht lassen,  die uns immer wieder von unserem Boot wegtreibt. Mit Mühe strampeln wir uns wieder zurück, nachdem die ersten Fotos und Videos im Kasten sind. Es dauert unendlich lange, bis wir wieder am Boot angelangt sind.

Zwischendurch schwimmen sie an die Wasseroberfläche und holen sich eine Portion Köder ab. Dann kehren sie wieder zu uns zurück,  als wären wir – nach gestilltem Appetit – schließlich doch interessanter als die Köderfische. Noch haben wir nicht mitzählen können, wie viele Haie uns umgeben. Aber nach einer Weile sehen wir ein, dass jeder Versuch, die Tiere im Auge zu behalten chancenlos bleibt.

Und andauernd werden wir von Blauhaien umrundet und „beschnuppert“.

Während man ein oder zwei Tiere mit den Augen verfolgt, tauchen weitere unter uns durch, ohne dass wir es auch nur im Geringsten bemerken. Als die Tiere dann eng an unseren Flossen vorbeiziehen, werden wir der Situation gewahr.

Zunächst macht sich noch ein wenig Sorge breit. Doch als wir merken, dass die Tiere äußerst friedlich sind und lediglich eine angeborene Neugier an den Tag legen, legen wir auch unsere Besorgnis wieder ab.

Faszinierend nah

Hätten die Haie es auf uns abgesehen – wir hätten nicht den Hauch einer Chance: Sie sind dermaßen in der Überzahl und beherrschen ihr Element im Gegensatz zu uns perfekt – zudem sind sie mit den bestmöglichen Sinnesorganen für die Wahrnehmung unter Wasser ausgestattet. Mit ihrer fast schon überheblich wirkenden  lässige Einstellung uns gegenüber, scheinen sie dies noch unter Beweis stellen zu wollen.

Es ist einfach nur fantastisch, die Tiere aus nächster Nähe zu beobachten: Wir erkennen die feinen Strukturen der Haihaut, können sogar ein paar Parasiten darauf ausmachen, ebenso wie einige kleinere markante Kratzer, die von Rivalitätskämpfen herrühren mögen. Offensichtlich werden die Tiere besonders von den Unterwasserblitzen und -leuchten angezogen. Die elektrischen Impulse, die die Geräte ausstrahlen, scheinen die Tiere besonders anzulocken. Immer wieder kommen sie extrem nah an unsere Kamera ran und das ein oder andere Mal muss auch das Gehäuse herhalten, die Tiere ein wenig auf Distanz zu halten.

Gut zu beobachten ist auch die schützende Nickhaut der Augen des Hais, der diese beim Streifen des Kameragehäuses über das Auge schiebt, um Verletzungen des Auges zu vermeiden.

Und während wir feststellen, wie ständig um uns herum die Haie kreisen – wohlgemerkt: In friedlicher Absicht – ist uns immer noch nicht klar, wie viele der Tiere uns im Wasser umgeben.

Man hat den Eindruck, dass es immer wieder dieselben Tiere sind, die uns umkreisen. Doch achtet man auf einige spezielle Besonderheiten wie Kratzer oder kleinere Narben, stellt man fest, dass sich die Tiere sehr gut anhand ihrer charakteristischen Merkmale unterscheiden lassen.
Wir gelangen zu dem Schluss, dass an die 12 Tiere unseren Tauchgang begleiten. Manche davon neugierig und weniger scheu, andere halten eher sicheren Abstand – zumeist scheinen dies kleinere und vermutlich unerfahrenere Jungtiere zu sein.

Atemberaubend, wie sie elegant durch ihr Element schweben – die schlanken, geschmeidigen Körper und die langen, beweglichen Brustflossen ermöglichen den Tieren eine enorme Wendigkeit und es zeigt sich deutlich, wer hier Herr des Elements Wasser ist – Für alle, die es noch nicht erahnen können: Wir sind es nicht!

Nach 90 Minuten „bleibt uns die Luft weg“

Obwohl wir uns noch nicht sattgesehen haben, stellen wir nach 90 Minuten Tauchgang fest, dass die Luft in unserer Pressluftflasche zur Neige geht. Einer der faszinierendsten und unvergesslichsten Tauchgänge unserer bisherigen Laufbahn neigt sich dem Ende zu.

Haie haben wir bereits oft erleben dürfen und es ist jedes Mal ein aufregendes Erlebnis gewesen. Die Blauhaie, mit denen wir interagieren durften, haben aber alles bisher Erlebte in den Schatten gestellt.

Nur in ganz seltenen Fällen hat man bei Haien die Möglichkeit, so nah heranzukommen. Meistens schrecken sie vor den Geräuschen und den Blasen der Taucher zurück und suchen rasch das Heil in der Flucht, so dass den Tauchern kaum mehr zu sehen bleibt als ein Schemen, der in den Tiefen des Ozeans entschwindet.

Ganz anders verhält es sich bei diesen Haien:. Bei unserem Tauchgang mit dem Prionace glauca  hat man geradezu den Eindruck, als würden die Haie die Nähe des Menschen suchen.

Meist waren sie alles andere zurückhaltend, was uns aber im Grunde sehr willkommen war.  Nur so konnten wir auch gelungene Aufnahmen erzielen und die Tiere so intensiv beobachten.

Kein einziges Mal zeigten sie aggressives Verhalten wie Rempler oder Drohgebärden. Es war schlichtweg freundliche Neugier, die sie in unsere unmittelbare Nähe getrieben hat.

Fazit

Das Tauchen mit Blauhaien ist aufregend und interessant zugleich. Die Tiere kommen extrem nah heran und man kann sie aus nächster Nähe studieren, ihre Gewohnheiten beobachten und ihnen bei der Interaktion mit anderen Haien zusehen.

Nach unserem Dafürhalten ist das Tauchen mit diesen wenig scheuen Tieren nur Tauchern anzuraten, die bereits Erfahrungen im Haitauchen besitzen und auf einen Hai, der einen direkt antaucht, routiniert reagieren. Dann steht einem Tauchgang der Superlative nichts im Weg.

Da es sich bei den Haien um Hochseehaie handelt, taucht man in der Regel im Blauwasser, insofern fehlt insbesondere für Fotografen das schöne Panorama.

Die Haie, die derart bereitwillig für ein Motiv herhalten wollen, entschädigen aber für das Fehlen einer üppigen Unterwasserlandschaft.

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